
Die Rechtslage bei Telefonakquise – ein Interview mit Rechtsanwältin Jutta Löwe
„Ist das überhaupt erlaubt?“ Diese Frage höre ich immer wieder, wenn ich Erstgespräche mit Kunden führe. Dabei ist Telefonmarketing im Business-to-Business-Bereich (B2B) unproblematischer als die beliebten Newsletter und Werbemails. Um Klarheit in die Diskussion zu bringen, habe ich mit der Rechtsanwältin und Datenschutzexpertin Jutta Löwe gesprochen. Sie zeigt, welche Formen der Telefonakquise erlaubt und welche verboten sind und was Unternehmen erwartet, wenn sie die Rechtslage missachten.
Frau Löwe, ich bin Gewerbetreibender und möchte durch Telefonakquise neue Kunden gewinnen. Ist das erlaubt?
Jutta Löwe: Das hängt davon ab, ob Ihre Kunden Gewerbetreibende oder Privatpersonen sind. Bei Verbrauchern benötigen Sie nach geltender Rechtslage die ausdrückliche schriftliche Einwilligung, dass er mit der telefonischen Kontaktaufnahme einverstanden ist. Diese Einwilligung darf auch nicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Ähnlichem versteckt sein – sonst ist Telefonakquise im Business-to-Consumer-Bereich generell verboten. Geregelt ist das in Paragraf 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Wie sieht die Rechtslage aus, wenn ich eine Telefonakquise im gewerblichen Bereich plane?
Jutta Löwe: Hier ist Telefonakquise unter Umständen erlaubt. Es kommt aber auf bestimmte Voraussetzungen an: Sie dürfen andere Unternehmer nur dann anrufen, wenn Sie vermuten können, dass der Adressat mutmaßlich in eine Telefonakquise einwilligt.
Was bedeutet das?
Jutta Löwe: Ein Beispiel für erlaubte Telefonakquise sind etwa bestehende oder angebahnte Geschäftsbeziehungen zum Unternehmen. Eine mutmaßliche Einwilligung können Sie ebenfalls vermuten, wenn der Angerufene gegenüber Dritten Interesse an Ihren Produkten oder Dienstleistungen gezeigt hat. Nicht zuletzt sind auch die Nähe der Produkte und Leistungen zu Ihrem Kerngeschäftsbereich ein Indiz dafür, dass Ihr Anruf erlaubt ist. Eine Druckerei, die Broschüren, Flyer oder andere Printprodukte druckt, kann beispielsweise davon ausgehen, dass Werbeagenturen Interesse an ihrem Angebot haben. Generell sollten Sie immer im Hinterkopf behalten, dass die Gerichte sehr unterschiedlich entscheiden, deshalb ist vieles Auslegungssache.
Ich sollte meine Zielgruppe also sorgfältig auswählen.
Jutta Löwe: Richtig. Es ist sehr wichtig, sich vor einer telefonischen Neukundenansprache Gedanken zu der Auswahl der Zielgruppe zu machen und genau zu überlegen, welche Unternehmen an Ihrem Produkt oder Ihrer Dienstleistung tatsächlich Interesse haben könnten. Wenn Sie sicherstellen, dass Ihre Telefonakquise an die richtigen Türen klopft, sind Sie auch rechtlich auf der sicheren Seite und können weiterhin über die Telefonakquise neue Kunden gewinnen und Aufträge generieren.
Wann kommt es Ihrer Erfahrung nach zu Abmahnungen?
Jutta Löwe: Die Rechtslage ist nicht eindeutig und lässt Interpretationsspielraum zu. Generell empfiehlt es sich, im Telefonmarketing höflich zu sein – vor Gericht sammeln Sie damit Sympathie-Punkte. Wenn man sehr penetrant auftritt und unhöflich wird, spricht sich das schnell herum. Richter urteilen dann im Zweifel härter.
Welche Art der Telefonakquise ist im gewerblichen Bereich zweifellos verboten?
Jutta Löwe: Paragraf 7 des UWG stuft alle „Handlungen, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird“ als unzulässig ein. Im Klartext bedeutet das: Telefonakquise bei Marktteilnehmern, die Ihren Anruf offensichtlich ablehnen, ist verboten. Wenn Sie schon von der Dame in der Zentrale erfahren, dass Werbeanrufe nicht erwünscht sind, sollten Sie es kein zweites Mal versuchen. Gewerbetreibende, bei denen keine Einwilligung zu vermuten ist, sollten Sie ebenfalls in Ruhe lassen.
Was passiert, wenn ich die Rechtslage missachte?
Jutta Löwe: Wenn Sie verbotene Telefonakquise betreiben, droht Ihnen durch den Kunden eine Abmahnung. Er kann Sie zu einer Unterlassung auffordern, was letztlich Geld kostet. Die Höhe des Bußgelds richtet sich dabei nach der Erheblichkeit des Verstoßes, also wie unverschämt der Werbende aufgetreten ist oder um welche Werte es geht. Darüber hinaus können auch Verbraucherverbände oder die Konkurrenz abmahnen, wenn sie von dem rechtswidrigen Verhalten erfahren.
Wie reagiere ich am besten, wenn ich eine Abmahnung erhalten habe?
Jutta Löwe: Wichtig ist, dass Sie schnell reagieren und nichts ohne Prüfung unterschreiben. Meistens schicken Abmahner eine Unterlassungserklärung mit, die den Abmahner besser stellt, als es notwendig wäre. Das kann für Sie teurer werden als notwendig. Generell gilt: Lassen Sie einen Rechtsanwalt prüfen, ob die Telefonakquise überhaupt verboten war.
Wie kann eine rechtssichere Telefonakquise gelingen?
Jutta Löwe: Mein Tipp: Kontaktieren Sie nur potenzielle B2B-Kunden, bei denen Sie eine mutmaßliche Einwilligung vermuten können. Bereiten Sie sich gut vor, bleiben Sie im Gespräch höflich, und drängen Sie Ihren Gesprächspartner zu nichts. Zu guter Letzt: Lassen Sie sich bei Zweifeln immer von einem Anwalt beraten.
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Über Jutta Löwe:
Seit 2004 ist Jutta Löwe zugelassene Rechtsanwältin, seit 2010 in eigener Kanzlei. Sie berät und vertritt Unternehmen ausschließlich in den Bereichen des IT-, Internet- und Datenschutzrechts sowie auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes. Zusätzlich hält sie Vorträge und Schulungen unter anderem zu Social Media und Cloud Computing. Als externe Datenschutzbeauftragte (TÜV®) hilft sie auch praktisch, den Datenschutz in Unternehmen zu gewährleisten.